Kamelobooks:Kamele am Rande der Schildkröte/Kapitel 0 (Einleitung): Unterschied zwischen den Versionen
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Doch auch diese Phase der expansionistischen und besitzergreifenden Außenpolitik der Nachbarn ging vorüber und wurde durch die expansionistische und besitzergreifende Innenpolitik der eigenen Landsleute ersetzt, doch das neu ausgerufene Sultanat von Waldi-El Rukl hatte zwischenzeitlich gefallen an der freien Selbstbestimmung gefunden und so beharrt die Oase bis zum heutigen Tage auf ihrer Unabhängigkeit und sieht sich gleichberechtigt neben Khal-ali, was eine Reihe von diplomatischen Missionen erforderlich machte, da keiner der beiden Herrscher gewillt war, dem anderen recht zu geben. | Doch auch diese Phase der expansionistischen und besitzergreifenden Außenpolitik der Nachbarn ging vorüber und wurde durch die expansionistische und besitzergreifende Innenpolitik der eigenen Landsleute ersetzt, doch das neu ausgerufene Sultanat von Waldi-El Rukl hatte zwischenzeitlich gefallen an der freien Selbstbestimmung gefunden und so beharrt die Oase bis zum heutigen Tage auf ihrer Unabhängigkeit und sieht sich gleichberechtigt neben Khal-ali, was eine Reihe von diplomatischen Missionen erforderlich machte, da keiner der beiden Herrscher gewillt war, dem anderen recht zu geben. | ||
− | Glücklicherweise verstand es der derzeitige Sultan und zugleich Hüter der Brunnen und Wächter der sieben besteuerten Tempel von Waldi-El Rukl, Schlendrian ibn Alg al-Ieee '''(11)''', diese Verhandlungen geschickt in die Länge zu ziehen und nahezu alle unangenehmen Themen dabei zu vermeiden; man sprach gerade über Steuerangleichungen '''(12)''', gemeinsame Aktionen gegen Wüstenräuber '''(13)''' und genoß platschianischen Kaffee, als der (vorerst letzte) große Krieg mit Mor-Ankhpork ausbrach und die Khal-alischen Diplomaten und deren [[Leibwächter]] zur Landesverteidigung herangezogen wurden, was die Verhandlungen an einem ansonsten eher kritischen Punkt –den Sultan als Untertanen des Serifen zu betrachten- stocken ließ. | + | Glücklicherweise verstand es der derzeitige [[Sultan]] und zugleich Hüter der Brunnen und Wächter der sieben besteuerten Tempel von Waldi-El Rukl, Schlendrian ibn Alg al-Ieee '''(11)''', diese Verhandlungen geschickt in die Länge zu ziehen und nahezu alle unangenehmen Themen dabei zu vermeiden; man sprach gerade über Steuerangleichungen '''(12)''', gemeinsame Aktionen gegen Wüstenräuber '''(13)''' und genoß platschianischen Kaffee, als der (vorerst letzte) große Krieg mit Mor-Ankhpork ausbrach und die Khal-alischen Diplomaten und deren [[Leibwächter]] zur Landesverteidigung herangezogen wurden, was die Verhandlungen an einem ansonsten eher kritischen Punkt –den Sultan als Untertanen des Serifen zu betrachten- stocken ließ. |
Seitdem blieb es ruhig in den trügerischen Untiefen der [[Diplomatie]], aber schon die allgegenwärtige Tradition gebietet, daß der Serif von Khal-ali die aufmüpfige Oase nicht vergessen darf... | Seitdem blieb es ruhig in den trügerischen Untiefen der [[Diplomatie]], aber schon die allgegenwärtige Tradition gebietet, daß der Serif von Khal-ali die aufmüpfige Oase nicht vergessen darf... | ||
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*16 - ''Eine interessante neue Taktik, da die Stadt ihre vergangenen Kriege i.d.R. damit gewann, sich zu ergeben, die Tore zu öffnen und die fremden Eindringlinge zu assimilieren.'' | *16 - ''Eine interessante neue Taktik, da die Stadt ihre vergangenen Kriege i.d.R. damit gewann, sich zu ergeben, die Tore zu öffnen und die fremden Eindringlinge zu assimilieren.'' | ||
*17 - ''Allein aus dieser Beschreibung könnte man die Bedeutung Wadi-El Rukl’s für Mor-Ankhpork ableiten, aber zumindest wagt dies niemand in Gegenwart der Patrizierin oder Rinnsteins.''</small> | *17 - ''Allein aus dieser Beschreibung könnte man die Bedeutung Wadi-El Rukl’s für Mor-Ankhpork ableiten, aber zumindest wagt dies niemand in Gegenwart der Patrizierin oder Rinnsteins.''</small> | ||
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== Kapitel I == | == Kapitel I == |
Version vom 23. August 2007, 13:15 Uhr
ScheibchenWelt: wüste Wüste
Einleitung
Der Weltraum, unendliche Weiten... (2)
Die Abgründe zwischen den Sternen erscheinen schwarz, geheimnisvoll, einsam und irgendwie leer, doch wenn man etwas genauer hinsieht, erkennt man, wie sehr diese Annahme täuscht, den etwas bewegt sich...
Und wenn man nun noch genauer hinsieht, erkennt man dieses etwas als eine riesige (3) Schildkröte, auf deren Rücken zweimalzwei Elefanten stehen, zwischen deren dicken Beinen Kamele wuseln, die auf ihren Rücken wiederum eine seltsame Scheibe tragen... Doch es ist nicht irgendeine beliebige Scheibe, vielmehr ist diese bedeckt von Wasser, Felsen, Bäumen, Vögeln und anderen Tierarten und nicht zuletzt von Menschen (4); sogar lebendige Steine gibt es hier(5).
Es ist eine Welt voller Maggi, die von einer Unzahl Götter be- und überwacht wird und auf der es im Grunde genommen völlig normal zugeht, jedenfalls, wenn man nicht zu tief blickt. Und wenn sich diese Scheibenwelt auf den Elefanten auf der Schildkröte während ihrer unendlichen Reise nach Irgendwo ein wenig dreht, mag es geschehen, daß einige Sandkörner aufgewirbelt werden und unsere Aufmerksamkeit auf einen recht heißen, trockenen und staubigen Ort lenken: Platsch. (6)
Platsch hat alles zu bieten, was dem Legionär ein Graus ist: wenig Schatten, viel Hitze und noch mehr Sand. Und T’reks, einheimische Nomaden, die unzivilisierter Art und Weise leere Karawanen unbehelligt durch das von ihnen beanspruchte Revier ziehen lassen, nur um deren Rückkehr zu erwarten und einen geringen Wegezoll von 100 % zu erheben.
Platsch hat darüber hinaus auch einen Herrscher, den ehrenwerten Serifen von Khal-ali (7), welcher einmal als Der - der - noch - viel - mehr - Geld - das - er - nicht - hatte - ausgegeben - hat - als - alle - Seine - Vorgänger - zusammengenommen - wenn - nicht - mehr - aber - wenigstens - haben - wir - den - Krieg - mit - Mor-Ankhpork - um - Phsel - nicht - verloren (8) in die Geschichtsrollen (9) eingehen wird und der den großen Traum aller Herrscher träumt (10) .
Und wie in jeder ordentlichen Wüste, gibt es auch in Platsch mehrere Oasen, an denen sich die verschiedensten Gestalten treffen, wie geschaffen, um Dinge geschehen zu lassen...
Eine dieser Oasen ist als Waldi-El Rukl bekannt und kann auf eine sehr lange und alte Geschichte zurückblicken, doch gemeinhin tut man dies nur sehr ungern, denn man könnte dabei unter anderem darauf stoßen, daß hier einst ein unbeliebter Außenposten des djelibellybyschen Heeres stationiert war, zu der Zeit, als ganz KPlatsch –bis auf ein kleines Dörfchen nahe der Küste- von den Nachbarn mit einer Vorliebe für Pyramiden und gut einbandagierte verstorbene Herrscher besetzt gehalten wurde.
Doch auch diese Phase der expansionistischen und besitzergreifenden Außenpolitik der Nachbarn ging vorüber und wurde durch die expansionistische und besitzergreifende Innenpolitik der eigenen Landsleute ersetzt, doch das neu ausgerufene Sultanat von Waldi-El Rukl hatte zwischenzeitlich gefallen an der freien Selbstbestimmung gefunden und so beharrt die Oase bis zum heutigen Tage auf ihrer Unabhängigkeit und sieht sich gleichberechtigt neben Khal-ali, was eine Reihe von diplomatischen Missionen erforderlich machte, da keiner der beiden Herrscher gewillt war, dem anderen recht zu geben. Glücklicherweise verstand es der derzeitige Sultan und zugleich Hüter der Brunnen und Wächter der sieben besteuerten Tempel von Waldi-El Rukl, Schlendrian ibn Alg al-Ieee (11), diese Verhandlungen geschickt in die Länge zu ziehen und nahezu alle unangenehmen Themen dabei zu vermeiden; man sprach gerade über Steuerangleichungen (12), gemeinsame Aktionen gegen Wüstenräuber (13) und genoß platschianischen Kaffee, als der (vorerst letzte) große Krieg mit Mor-Ankhpork ausbrach und die Khal-alischen Diplomaten und deren Leibwächter zur Landesverteidigung herangezogen wurden, was die Verhandlungen an einem ansonsten eher kritischen Punkt –den Sultan als Untertanen des Serifen zu betrachten- stocken ließ.
Seitdem blieb es ruhig in den trügerischen Untiefen der Diplomatie, aber schon die allgegenwärtige Tradition gebietet, daß der Serif von Khal-ali die aufmüpfige Oase nicht vergessen darf... Von diesen Verwicklungen völlig unbeeindruckt (14) aber, blüht, wächst und gedeiht die Oase, eine riesige, ausufernde Zeltstadt mit einem großen, traditionellen Palast, einem noch größeren und noch traditionellerem Garten und dem größten und schönsten Basar am ganzen El Rukl; was beeindruckend klingen mag, bis man erfährt, daß das kleine Flüßchen größtenteils unterirdisch verläuft und dies die einzige Oase ist, die von ihm gespeist wird; außerdem beanspruchen die T’reks ganz traditionell alles, was zwischen dem Waldi und Khal-ali liegt bzw. transportiert wird oder zumindest den größten Teil davon (15).
Tatsächlich finden auch viele ausländische Händler, Abenteurer, Schiffbrüchige, Touristen und Söldner hierher; sogar Mor-Ankhpork unterhält hier mittlerweile (und nachdem es den vorerst letzten großen Krieg nicht verloren hat (16)) eine kleine Botschaft in Gestalt von Lord Winterweiß, der sich nur schwer akklimatisieren kann, da er an einer Stauballergie leidet, dessen Sekretär Schreiber, dem Zwerg Kalle Steinschlag, sowie dem jungen Troll Rinnstein mitsamt Seines von Zwergen konstruierten Kühlhelmes, die beide als Botschaftswächter dienen und auch eine repräsentative Funktion als Garde bei offiziellen Anlässen innehaben (17).
Nun genug der ausufernden, beschreibenden Worte, wenden wir uns der Geschichte zu...
*1 - Fußnote 1 gehörte angeblich zum fünften Fuß eines Elefanten, den dieser sich in einem Anfall geistiger Umnachtung hatte wachsen lassen und den die Schildkröte ihm, um das Gleichgewicht zu wahren, wieder abgebissen hatte. Ansonsten gibt es zu diesem Thema natürlich Verschwörungstheorien über Verschwörungstheorien.
- 2 - Sie können beruhigt weiterlesen, dies ist keinesfalls ein Science-Fiction-Roman basierend auf mehreren beliebten TV-Serien und Kinofilmen.
- 3 - Vermutlich jedenfalls, den es mangelt ein wenig an Bezugsmaßstäben.
- 4 - Mehr oder weniger jedenfalls, sofern man Zwerge, Zombies, Kobolde und ähnliches dazu zählen mag.
- 5 - Die man gemeinhin „Troll“ nennt oder auch nach der Gattung als „Siliziumbasierte Lebensform“ bezeichnet, was dann auch Wasserspeier und ähnliches einschließt.
- 6 - Manche Philosophen behaupten, der Name sei identisch mit dem Geräusch einer einzigen Hand, die...nun:
kplatscht, wieder andere bestreiten dies vehement und dieKPlatschianer wollen keinen Bezug zu ihrem Land erkennen; Historiker aus Mor-Ankhpork führen den Namen möglicherweise auf jene wenig ruhmreiche Vergangenheit zurück, in der der König versuchte, Sein Herrschaftsgebiet zu erweitern und im Wüstensand eine saftige Abreibung mittels scharf geschliffener Krummsäbel erhielt. Aber das ist eine andere Geschichte. - 7 - So etwas, wie die Hauptstadt mit einem sehr großen Palast, wunderschönen Gärten und einem Basar, auf dem nahezu alles nur vorstellbare zu nahezu unvorstellbaren Preisen zu erhandeln ist.
- 8 - Bedauerlicherweise aber auch nicht gewonnen; da die Insel ebenso schnell wieder im Meer versunken, wie daraus hervorgestiegen ist, kann man wohl von einem Unentschieden sprechen, wenn der Serif und dessen Spione nicht zuhören.
- 9 - Bücher lassen es an der nötigen Tradition fehlen und kommen deswegen insbesondere für „Geschichte“ nicht in Frage, während die Händler an ihnen immer mehr und mehr gefallen finden, ebenso, wie die Steuereintreiber.
- 10 - Was unter anderem ewige Unsterblichkeit, einen großen Harem, kompetentes Personal, daß einen nicht vergiften will, höhere Steuern, geregelte Arbeitszeiten (für sich selbst), große Kisten voller Gold, ein gehorsames Volk und –warum auch immer- ein gekochtes Ei beinhaltet.
- 11 - Seine Freunde nennen Ihn „Alg-Ieee“, Seine Untertanen sprechen aber nur von Dem-im-Palast.
- 12 - Aufgrund einer kleinen Bitte Seiner Hauptfrau Ameeth, die zugleich Oberhaupt der größten inoffiziellen Wirtschaftsmacht ist, die Platsch je nicht gesehen hat: des Harems. Man glaubt gar nicht, wieviel Geld sich mittels der Kunst von Stickerei, töpfern, weben und ähnlichem verdienen läßt; wobei es sich natürlich als Vorteil erweist, stets behaupten zu können, Ware, Liefer- und Zahlungsbedingungen stammten unmittelbar aus dem Palast...
- 13 - Zugegeben, niemand vermag so recht zu sagen, was jemand mit einer Wüste wollen könnte, andererseits – der Beruf hat Tradition und es scheint ja auch genügend Wüste für alle da zu sein.
- 14 - Tatsächlich erscheint es eher so, als würden derartige Orte und im Widerstreit befindliche Interessen, Handel und Tourismus fördern.
- 15 -Das liegt daran, daß der Sultan ein geheimes Handelsabkommen mit den Nomaden geschlossen hat: wenn ständig alle Karawanen völlig ausgeraubt werden, wird kein Händler mehr dieses Risiko auf sich nehmen und die T’rek dürfen die geraubte Ware mittels Zwischenhändlern auf dem Basar frei verkaufen.
- 16 - Eine interessante neue Taktik, da die Stadt ihre vergangenen Kriege i.d.R. damit gewann, sich zu ergeben, die Tore zu öffnen und die fremden Eindringlinge zu assimilieren.
- 17 - Allein aus dieser Beschreibung könnte man die Bedeutung Wadi-El Rukl’s für Mor-Ankhpork ableiten, aber zumindest wagt dies niemand in Gegenwart der Patrizierin oder Rinnsteins.
Kapitel I
Es ist eine heiße Stunde an einem heißen Tag in einer heißen Woche eines heißen Monats in einem heißen Jahr und wir schreiben –in der Sprache der Gelehrten und Astronomen- den mittlersten Tag des Winter Secundus-Monates Ick; was praktisch ausgedrückt bedeutet, man kann ein Ei im Schatten braten.
Der Bau des neuen Botschaftsgebäudes macht nur unwesentliche Fortschritte –die Grundfläche ist beinahe abgesteckt- und so hängt die glorreiche Fahne von Mor-Ankhpork schlaff und ausgebleicht an einem Mast vor zwei Zelten; ein großes für offizielle Empfänge, Bälle und rauschende Feste und ein kleineres, das als Unterkunft, Vorzimmer, Lagerraum und Büro dient und die Würde des Ortes leidet unter dem mehrfach geflickten, ausgeblichenen und zerschlissenem Stoff der Zelte nur unwesentlich.
Am Eingang, links neben dem Fahnenmast, hält Ober-Gardist Kalle Steinschlag mit Eisenstiefeln, eisernem Kettenhemd, Eisenhelm, eisernem Brustharnisch und weniger den klimatischen Gegebenheiten, als vielmehr dem Kalender und der Tradition angepaßt dazu noch in dicker Winterkleidung und auf Seine große Streitaxt(1), Erbe Seines Ururururgroßgroßvatres mütterlicherseits, im wahrsten Sinne des Wortes eisern Wache; die dunklen Augen begutachten unter den buschigen Augenbrauen, die unter dem breiten Helmrand kaum zu erkennen sind verkniffen und drohend jeden, der vorbei kommt und nur gelegentlich bürstet er sich mit der Linken den Sand aus dem Bart(2).
Doch dieser harte Komm - ja - nicht - näher - den - ich - weiß - wie - man - mit - dieser - großen - scharfen - Axt - umgeht - und - auch - wo - Deine - empfindlichen - Stellen - sind - Blick schien nicht auf jeden zu wirken; ein schmalbrüstiger, rattengesichtiger Mann mit Bauchladen kam auf Steinschlag zu; Sein Grinsen entblößte eine Reihe größerer Zahnlücken und die Reste eines ausgiebigen Frühstücks und Seine unsteten Augen schienen den Wert dessen, was Steinsschlag am Leibe trug auf die kleinste Währungseinheit genau zu taxieren.
„Seid tausendfach und mit den Wonnen des Paradieses gegrüßt, edler Fremdling, kühner Streiter, oh, Ihr wackerer Recke, der...“ Weiter ließ Ihn das Verantwortungsbewußtsein des Gardisten nicht kommen: „Zutritt verboten. Betteln und Hausieren verboten. Bestechung streng verboten.“
Der Zwerg überlegte einen Moment, ob er irgend etwas vergessen hatte, abgesehen von der mündlichen Anweisung, keinen Ausländer zu erschlagen, die er aber –darauf hatte Botschafter Lord Winterweiß nachdrücklich bestanden, unter keinen Umständen preisgeben sollte- doch davon ließ sich der Händler nicht abhalten: „...hierher, an den schönsten Ort der Welt gekommen ist, um...“
Steinschlag reckte sich zur vollen Größe auf, was Ihn fast anderthalb Zentimeter wachsen ließ und Ihn beinahe erkennen ließ, was sich in dem Bauchladen befand. „Dies ist nicht der schönste Ort der Welt, das ist die Miene meines Ururururgroßgrogroßvaters. Und ich bin auch nicht auf Streit aus, denn ich bin im Dienst. Wenn Du Dich mit mir streiten willst, mußt Du warten, bis meine Ablösung kommt.“
Und er ließ sich wieder in die bequeme Wächterhaltung zurücksinken, da Ihm Sein Instinkt dringend geraten hatte, gar nicht in Erfahrung bringen zu wollen, was genau sich in dem Bauchladen befand.
„Aber ich suche doch keinen Streit, edelster Herr, welcher in Würde ergraut ist! Bei allen Göttern –insbesondere dem großen Offler persönlich- nichts läge mir ferner, bin ich doch ein Sohn aus gutem, ach was rede ich da – aus allerbestem Hause, ein ehrbarer, weltoffener und erfahrener Geschäftsmann, Freund und Helfer aller Fremden und nicht etwa ein schändlicher T’rek! Man kennt mich als Macht - keinen - Profit - sondern - legt - drauf ibn Ich - verschenke - alles ibn Fast - Umsonst ibn Du - wolle - Datteln - kaufen Wuch Er-Ieee, Großneffe des Vetters des Cousins des neunten ehrwürdigen sultanischen Fußabtreters Yusuf Ali Ben Kokos und ich habe nur für Dich ein absolut einmaliges Angebot alleredelster Güte, Qualität und Perfektion anzubieten; ein wahres Geschenk der Götter und –wie ich Dir versichern kann- etwas, daß man nicht an jedem Zelt bekommen kann. Laß es mich dir einmal vorführen, um Dich zu erleuchten und die tiefe Wahrhaftigkeit meiner zuvor gesprochenen Worte nachhaltig zu beweisen: ich präsentiere Dir...“
Und es gelang dem fliegenden Händler, sich zu verbeugen, ohne daß Steinschlag erkennen konnte, was sich in dem Bauchladen befand und dann hielt er Ihm plötzlich eine alte, verbeulte und rostige Lampe vor die Nase.
„Al-Hadins berühmte magische Lampe, Heim des mächtigen Dschinn Tonik, Quell der neunhundertneunundneunzig Wünsche, Bestandteil vieler alter Geschichten, die noch heute voller Freude am Lagerfeuer von den weisen und gelehrten Geschichtenerzählern weitergegeben werden, wie sie sie selbst schon als Säugling ebendort vernommen haben und vor ihnen ihre Stammväter und ein unbezahlbares Kleinod bester Güte, Qualität und absolut ungeschlagen im Preis-/Leistungsverhältnis!“
Dabei wurde Sein Lächeln noch breiter und offenbarte weitere Zahnlücken und das vergangene Abendessen. Kalle Steinschlag legte den Kopf schief und betrachtete prüfend das mitgenommene Gefäß, daß Ihm eher unscheinbar und von minderer Qualität erschien; sicherlich waren bei der Herstellung Zwerge nichteinmal in der Nähe gewesen.
Und da Seine Anweisungen keinerlei Hinweis darauf enthielten, qualitativ mangelhafte Gegenstände, die Ihm überschwenglich angepriesen wurden, nicht nach zwergischen Maßstäben zu beurteilen, machte er frei heraus und freundlich(3) den Händler mit dem unaussprechlichen Namen auf ebendiese Tatsache aufmerksam.
Wuch Er-Ieee seufzte schwer und asthmatisch, hob die gefalteten Hände gen Himmel, fiel auf die Knie und verfiel in einen greulichen Singsang: „Oh, Offendi, wehe mir, was habe ich getan, daß Ihr mich so beleidigt? Mit keiner Silbe habe ich behauptet, dies sei das Werk von Zwergen, da ich doch weiß, daß es sich um eine authentische Handarbeit aus dunkelster Vorzeit handelt, ein Geschenk der Götter an deren gehorsame und getreuliche Diener! Oh, Ihr zu kurz geratene Verzierung einer immergrünen Wiese, womit habe ich ärmster der Armen, bemitleidenswertester der Bemitleidenswerten, ehrenwertester der Ehrenwerten, Verkäufer des Vormonates, dienstleistender der Dienstleistenden, Vater von zweiunddreißig hungrigen Kindern mit großen Kulleraugen und Gebieter über einen bescheidenen Harem von gerade einmal dreieinhalb Frauen, diese Schmach verdient? Oh, ihr heiligen und allwissenden Götter, zeigt Erbarmen und offenbart mir eure Weisheit, auf daß ich meine unverzeihlichen Fehler bereuen möge, die mich dieses Schicksal erleiden lassen!“
Steinschlag legte den Kopf schräg und griff die Axt etwas fester. „Du hast einen Monat verkauft? Und dreieinhalb...äh...Frauen..?“
Das Konzept der zweier unterschiedlicher Geschlechter war Ihm als erwachsenem Zwerg natürlich nicht gänzlich unvertraut, jedoch hatte Kalle immer noch Seine Mühe damit, wie selbstverständlich andere damit umgingen, sogar in der Öffentlichkeit. Allerdings konnte dies natürlich auch damit etwas zu tun haben, daß die anderen es bei der eindeutigen Identifizierung des jeweils anderen Geschlechtes doch um ein vielfaches einfacher zu haben schienen, als Zwerge. Und sich in der Regel keinerlei Gedanken darüber machten, daß doch gerade ein solches Thema absolute Privatangelegenheiten betraf, über die man besser nicht einmal nachdachte, wollte man den eigenen Helm nicht in einen Dampfkochtopf verwandeln.
Der Händler aber hatte während dieser Überlegungen in Seinem Klagelied eingehalten und wieder zu Seinem breiten Grinsen gefunden, daß er für besonders vertrauenerweckend hielt, sofern es nicht zu Dunkel war und der Gegenüber nicht zu empfindsam.
„Oh, lieblicher Offendi, Du mußt nur sagen, wie viele und welche Monate Du kaufen möchtest und ich lege sie Dir zu Füßen, Herr.“
Um dem Opfe...äh...Kunden gar keine Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, was man mit so vielen Monaten anfangen konnte, wie man sie unterbrachte und was sie wohl kosten sollten, beeilte er sich in aller Kürze das Problem der halben Frau zu erklären, denn die Wünsche des Kunden waren Ihm Befehl, genau, wie es in der 3. Sure der heiligen Erwerbsregeln für erfolgreiche Einzelhändler geschrieben stand, die der große Kaufen-macht-glücklich Bh’r Za’lung, vertriebener achatener Hohepriester des großen Schefflers und Begründer der humorvollen Anwender nützlich-schmeichelnder Eupherismen –kurz h.A.n.S.E.- und somit der ersten offiziellen Gilde von Platsch, die zugleich den Status als Religion beanspruchte, was die Steuerbelastung senken sollte, Seinen treuen Anhängern überlassen hatte, nachdem er ins Tal des verloschenen Busches gestiegen war und dort mit dem großen Scheffler persönlich um die Herausgabe der Erwerbsregeln gefeilscht hatte.
„Oh, Sahib, Du fragst nach dem, was nur zur Hälfte das meine ist und daran erkennst Du meine große finanzielle Not, kann ich doch neben meinen 44 Kindern mit den großen, großen Kulleraugen, kaum meine Familie ernähren, zu der auch meine Eltern und deren Eltern und die Eltern meiner gesegneten Ehefrauen und die Eltern der Eltern meiner über alles geliebten Eheweiber und meine 24 Schwestern mit deren Kindern in unaussprechlicher Zahl und fünf Brüder und deren 13 Frauen mitsamt deren noch unzähligeren Kindern und Kindeskindern zählen, nein, ich gestehe meine Schande ein und leugne nicht, daß ich für die liebliche, bezaubernde, anmutige und herzerweichende Dattelblüte noch immer nicht in der Lage gewesen bin, die volle Tilgung der Aussteuer zu leisten und mir deswegen von Rechts wegen nur die obere Hälfte zusteht. Oh, wehe mir, knapp bemessener Offendi, wehe, wehe, wehe mir! Das allein ist auch der Grund, warum ich meine Zeit mit Arbeit verschwenden muß, anstatt im Garten der 7x7x7x7 hoch drei Lustbarkeiten im Kreise meiner Lieben zu verweilen und die Not, die mich zwingt, dieses herrliche, unbezahlbare und mit vielen, vielen Erinnerungen getränkte Stück zu verkaufen, was mir das Herz brechen will, von dem meiner 91 Kulleraugenkinder, der sechseinhalb Frauen meines Harems, der Eltern der Eltern meiner Eltern, ...“
Der Rest des Endlossatzes wurde erstickt, als Steinschlags linker Handschuh eine Öffnung in der Deckung aus herumwirbelnden Armen fand und einen unbequemen Ruheplatz zwischen dem, was von den Zähnen noch übrig geblieben war.
Der Zwerg war kein Feind vieler Worte; er selbst kannte einige und das sowohl in Seiner Heimatsprache, wie auch in der Sprache der Trolle –wenn auch nur solche, die man üblicherweise mit *** kennzeichnet- und der von Mor-Ankhpork und das kleine, schimmernde Wörtchen „Gold“ kannte er sogar in längst totenstarren und vergessenen Sprachen, von denen Gelehrte noch nie etwas gehört hatten, doch diese Flutwelle an akustischen Unmöglichkeiten drohte Seine Gehörgänge zu überschwemmen und die Schwelle Seiner Geduld bis zum äußersten auszureizen.
Und nicht zuletzt verursachten sie gewaltige Kopfschmerzen, mit denen er sich auf gar keinen Fall bis zum Sonnenuntergang herumärgern wollte, da Unter-Gardist zur Probe Rinnstein vorher nicht dazu zu bewegen war, sich zu bewegen(4).
„Ich bin im Dienst. Darf nichts kaufen. Tut mir leid wegen Deiner Familie.“
Das tat es wirklich, denn Zwerge besitzen einen tiefverwurzelten Sinn für Familie, beinahe ebenso tief verwurzelt, wie ihre traditionelle Zuneigung zu Gold. Und für die Problematik mangelnder Ressourcen, um damit die entstandenen Kosten der zukünftigen Schwiegereltern zu decken, konnte nur ein Zwerg richtiges Verständnis aufbringen, schließlich war dies einer der Gründe, warum so viele von ihnen in die Fremde zogen. Und um wieviel schlimmer mußte dies alles in einer Gesellschaft sein, die es ermöglichte, zugleich mehrere Frauen zu ehelichen?
„Aber, ehrenwerter Eisenmann, ich habe Dir doch noch gar nicht alle Vorzüge geschildert, die mein einmaliges und garantiert nie wiederkehrendes Angebot beinhaltet! Und als Gratiszugabe kann ich Dir darüber hinaus noch eine Flasche sorgfältig gefiltertes Lampenöl zweiter Wahl anbieten, welches auch dazu geeignet ist, Leder nachzufetten, das Gesicht faltenfrei macht und Warzen über Nacht verschwinden läßt!“
Doch trotz aller Beteuerungen und Engelszungen, der Ober-Gardist blieb hart, wie es die Vorschriften verlangten, so sehr es Ihm auch schwerfiel.
Womit einer einfachen Lösung der kommenden Probleme mit bürokratischem Eifer aus dem Weg gegangen wurde...
- 1 Aus Eisen, bis auf den Holzstiel natürlich.
- 2 Dies ist kein Zeichen von Reinlichkeit in dem Sinne, vielmehr ist Kalle Steinschlag bereits in Ehren ergraut und der Sand neigt dazu, den Bart hellblond zu verfärben.
- 3 Was schlicht bedeutete, er blieb weiterhin auf die Streitaxt gestützt, anstatt sie zu benutzen.
- 4 Trolle sind in der Tat extrem Temperatur empfindlich: während sie niedrigere Minusgrade zu erhöhten Denkleistungen anspornen, ehe sie buchstäblich gedanklich einfrieren, bringt sie große Hitze dazu, über den Sinn des Lebens, das Universum und den ganzen Rest zu meditieren, was die vielen Berge auf der Scheibenwelt erklärt, ebenso, wie die traditionelle Feindschaft, zwischen Zwergen und Trollen; es fällt schwer, diejenigen auch nur zu tolerieren, die sich gerade einen Stollen durch Onkel Granit und Tante Schiefer graben.
Diese Geschichte/Dieses Märchen ist hier noch nicht zuende erzählt. Hat jemand Lust, hier weiter zu schreiben? []Bücherregal |
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