Bürokratie

Die Bürokratie ist die am weitesten verbreitete Herrschaftsform. Sie tarnt sich allerdings gerne als Demokratie, deshalb fällt das nicht so auf.

Die Grundlage der Bürokratie ist die Regel. Von Regeln gibt es prinzipiell keine Ausnahmen, es sei denn, es gibt eine Ausnahmeregelung, die in diesem Fall ohne Ausnahme auf alle Fälle, die den Voraussetzungen der Ausnahmeregelung genügen, angewandt wird, es sei denn, sie kann aus formalen Gründen nicht angewendet werden. Da aber auch die Ausnahmeregel eine Regel ist, gibts keine Ausnahmen, was ein ziemliches Paradoxon ist. Prinzipiell gilt, daß Regeln, die zum Vorteil des Bürgers sind, allenfalls gegen Antrag angewandt werden können, während Regeln zuungunsten des Bürgers grundsätzlich ohne vorherigen Antrag angewendet werden.

Anträge sind grundsätzlich unter Verwendung von Antragsformularen einzureichen, wobei für jedes Anliegen das korrekte Antragsformular verwendet werden muß. Ausserdem muss erst der Antrag beantragt werden, und dann jedes Antragsformular einzeln auch. Ausnahmen werden nicht genehmigt! Die Gestaltung der Antragsformulare erfolgt nach dem Prinzip der maximalen Schwierigkeit des Ausfüllens. In keinem Falle darf für das Stellen eines Antrages der gesunde Menschenverstand eingesetzt werden, sondern der Antrag hat buchstabengetreu den Regeln zu folgen, die speziell für diesen Antrag entwickelt wurden. Diese Regeln sind zwecks Erschwerung der Antragsstellung in einer speziellen, der Normalsprache nur entfernt ähnelnden Sprache abgefaßt, die im Allgemeinen als Amtssprache oder Behördensprache bezeichnet wird.

Im Volksmunde hat sich als nicht genehmigte Bezeichnung der üblichen, bürokratischen, genemigungspflichtigen Vorgehensweisen der Spruch "Von Pontius zu Pilatus rennen/laufen/eilen/geschickt werden" etabliert. Dieser bezeichnet das sinnlose umhereilen, meist zwischen den immer gleichen Bürokraten.

Bürokraten selbst, der Tarnung halber als Beamte bezeichnet, sind stets mit der Genehmigung diverser genehmigungspflichtiger Genehmigungen beschäftigt, unterbrochen nur von Tee- und Kaffeepausen, Raucherpausen, Mittagspausen, Frühstückspausen, Plauderpausen, Kopierpausen und jeder sonstigen erdenklichen Art der Pause. Ihre als Büro, Amtsstube oder Schalter bezeichneten schachtelähnlichen Arbeitsplätze in großen grauen, teuren, überflüssigen, stickigen, hallenden, kalten, hässlichen Betonklötzen, sind wenn überhaupt nur durch dahinvegetierende Kleinvegetation und postapokalyptische Wachsmalbilder ihrer inzwischen ebenfalls verbeamteten Nachfahren geschmückt. Es empfiehlt sich, diesen Raumschmuck stets als ausgesprochen geschmackvoll und künstlerisch wertvoll zu bezeichnen um die Genehmigung der von der Bürokratie vorgesehenen Formulare, Genehmigungen und Anträgen zu ermöglichen.

Immer öfter schützen sich die Arbeiter der Bürokratie durch vollautomatisierte und nicht genehmigungspflichtige Nummern-Aufruf-Systeme vor dem Bürger und seinen lästigen Anliegen. Ist diese Taktik nicht von Erfolg gekrönt, machen sich die Beamten die Komplexität der Bürokratie zunutze. Beispiele dafür sind:

 Verweis auf überarbeitete Formularversionen.
 Verweis auf nicht verwaltungsvorschriftgemäße Ausfüllung der Formulare.
 Verweis auf den beginnenden Feierabend.
 Verweis auf erkrankte Kolleginnen/Kollegen.
 Verweis auf zu entrichtende Verwaltungsgebühren und die zu beschaffenden Quittungen über die Entrichtung
  dieser Gebühren.
 Verweis auf die abgelaufene Antragsfrist (welche nirgendwo vermerkt ist).

Am häufigsten jedoch wird der nicht weiter kommentierte Kommentar "Dafür bin ich nicht zuständig!" verwendet.

Die Informationsbeschaffung im Rahmen der Bürokratie ist stets ein Abenteuer sondergleichen. Zu Einsicht ausliegende Unterlagen sind stets nur von 10:30 bis 11:00 des vorhergegangenen Tages einzusehen gewesen, im obersten Stock, Raum 35-45b, dritte Tür links, erreichbar ausschließlich über das Nebentreppenhaus T3.

Ein weiteres Phänomen der Bürokratie ist, dass sie niemals schwindet, sondern ausschließlich zunimmt. Von der Wissenschaft als "Parkinson'sches Gesetz" bezeichnet, ist zu beobachten, dass ein Beamter stets zwei Beamte nach sich zieht, welche ihn verwalten, diese wiederum werden von vier weiteren Beamten verwaltet, welche wiederum von acht Beamten verwaltet werden, welche wiederum von 16 Beamten verwaltet werden, welche wiederum... In regelmäßigen Abständen laut werdende Rufe nach Bürokratieabbau werden stets mit größter Freude aufgenommen und von der Politik als oberste Priorität bestätigt, um dann sogleich von einer Sonderkomission aus Beamten geprüft, bewertet, verwaltet und als unmöglich abgetan zu werden. Dennoch ziehen diese Versuche stets eine Neurevision sämtlicher Formulare und Anträge nach sich, was wiederum die Einstellung zusätzlicher Beamter zur Verwaltung dieser bürokratischen Unabdingbarkeit zur Folge hat.

Überaus faszinierend ist auch das Phänomen der verwaltungstechnischen Formalität. Diese, von der Bürokratie als unbedeutende, jedoch unabdingbare Kleinigkeit dargestelle Verhaltensmaßregel, bestimmt meistens den möglichst komplizierten Verwaltungsablauf des zu verwaltenden Vorganges im Sinne der Bürokratiemaximierung und der Kostenexplosion.

Historiker mutmaßen, dass diverse Weltreiche, unter anderem das Römische Reich, an übertriebener Bürokratie zugrunde gegangen sind. Forschungen haben ergeben, dass zum Ende des Römischen Reiches rund die Hälfte der Bevöllkerung im Beamtenstand war. Ausgrabungen brachten verborgene Kammern mit Stapeln von identischen Steintafeln zum Vorschein, welche sich nach längerer Begutachtung und Analyse als, durch neuere Revisionen veraltete, Beantragungsformulare für eine Fußbodenheizung mit sklavengetriebener Frischluftzuführung erwiesen.

Vorkommen

Heimatländer der Bürokratie sind speziell Europa, Deutschland, Österreich sowie die Tschechische Republik. In der Kamelopedia ist das Hauptvorkommen das Bürokratenspiel.

 Siehe auch:  Bureaucratium | Bürokratieabbau