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Doch wie alle [[Zombie|Untoten]] kehrten die „Ruhdys“ zurück. Ihre Alterskarriere verdankten sie einem einzelnen Fan aus der Programmdirektion des ostdeutschen MDR, wie sich das MfS seit der Wiedervereinigung nennt. Er stellte den Kontakt her zur sächsischen Mundartkünstlerin ''Katharina Witt'', mit der die „Ruhdys“ seitdem durch dunkeldeutsche Eissporthallen ziehen. Und eines ist sicher: Solange auch nur ein DDR-Rentner noch lebt, wird das so weiter gehen. | Doch wie alle [[Zombie|Untoten]] kehrten die „Ruhdys“ zurück. Ihre Alterskarriere verdankten sie einem einzelnen Fan aus der Programmdirektion des ostdeutschen MDR, wie sich das MfS seit der Wiedervereinigung nennt. Er stellte den Kontakt her zur sächsischen Mundartkünstlerin ''Katharina Witt'', mit der die „Ruhdys“ seitdem durch dunkeldeutsche Eissporthallen ziehen. Und eines ist sicher: Solange auch nur ein DDR-Rentner noch lebt, wird das so weiter gehen. |
Version vom 30. Dezember 2007, 18:02 Uhr
Die Ruhdys sind eine der zählebigsten Tanz- und Unterhaltungsgruppen der Dunkeldeutschlands. Die DDR ging. Sie blieben.
Gründung
Gegründet wurde die Band (Zonendeutsch: Gomboo) 1949 von einer Gruppe arbeitsscheuer Jugendlicher bei einer Tanzveranstaltung (Zonendeutsch: Paadie) zur Ehren der Gründung der DDR. Die Fünf schworen sich: „Nie wieder produktive Arbeit!“, ein Versprechen, an dass sie sich bis heute gehalten haben. Man nannte sich zunächst Rudi-Terzett. Der für eine fünfköpfige Band sehr ausgefallene Name stieß aber auf erheblichen Widerstand bei den Kulturfunktionären der Einheitspartei. So entschieden sich die Gitarristen und Sänger Rudi Bierr und Rudi Hirnkrampf, Tastenquäler Rudi Meyer, Drummer Rudi Scharf und Bassist Rudi Davis, genannt „Wuschel“, für „Die Ruhdys“. Ein Name, der ihre heftige aber unerwiderte Liebe zur englischen Sprache und zur deutschen Rechtschreibung widerspiegelt.
Die Instrumente baute man als alte Aktivisten der FDJ-Laubsägegruppe selbst, Verstärker wurden „unter der Hand“ vom örtlichen VEB „Elektrokram“ organisiert („Kann es Diebstahl sein, wenn alles allen gehört?“). Durch Rudi Meyers war schnell ein Übungsraum im schalldicht isolierten Keller der örtlichen Stasi-Bezirksverwaltung gefunden („Alte Kumpel von mir“). Und „Wuschels“ Cousine, die amerikanische Schlagersängerin Angela Davis, schickte aus den USA Noten, die aber niemand lesen konnte („Ist das Englisch?“).
Der großen Karriere als sozialistische Schauband stand nichts mehr im Wege - außer ihrem nicht gerade umfangreichen Repertoire von drei Ernst-Busch-Titeln (natürlich auf Englisch), dem fehlenden Berufsausweis und irgendeiner Auftrittsmöglichkeit.
Der Durchbruch
Ihren ersten Gig (Zonendeutsch: Mugge) vermittelte den „Ruhdys“ der örtliche Parteisekretär. Er hatte - schwer betrunken - der Parteigruppe des Walzwerkkombinats leichtsinnigerweise den Auftritt der Rolling Stones versprochen. Wieder nüchtern, entwendete er seinem Sohn die sowjetische Lizenzpressung eines Bill-Hayley-Albums, das er ihm vom letzten Moskaubesuch mitgebracht hatte, drückte sie den „Ruhdys“ in die Hand und gab ihnen genau zwei Stunden Zeit.
Pünktlich erschienen die „Ruhdys“ auf der Bühne des Walzwerks, auf dem Kopf neckische Langhaarperücken aus dem volkseigenen Kostümverleih („Institut für Bekleidungskunst“), die in den nächsten Jahrzehnten ihr Markenzeichen werden sollten. Das Publikum war begeistert. Das waren mal Schtaars zum Anfassen. Typen wie sie selbst. Der Duettgesang von Rudi „Maschine“ Bierr und Rudi „Quaster“ Hirnkrampf hörte sich für die Arbeiterjugend an wie der Kampf Flex gegen Marmorplatte. Rudi Meyers 2-Ton-Tastenspiel auf der volkseigenen Heimorgel blieb übersichtlich, überforderte niemanden intellektuell und erinnerte irgendwie an Weihnachten und Bescherung - ein schönes Gefühl. Das monotone Tuckern der Rhythmus-Sektion klang vertraut wie das Hämmern im örtlichen Walzwerkkombinat, bei dem man so toll einnicken konnte. Und wenn sich „Quaster“ gelegentlich in den sechs Saiten seiner Gitarre verirrte, nickten sich die Profis im Publikum wissend zu: Auch sie hatten schon mal zuviel gesoffen. Und dass das „Englisch“ nur wage lautmalerisch nachempfunden wurde, merkte in der Zone sowieso niemand.
Damit war der nationale Durchbruch geschafft. Nur wenige Tage später spielten die „Ruhdys“ vor dem Politbüro. Erich Mielke schunkelte mit und war schwer begeistert: „Nun kommt die Beatmusik und nun kann man sich völlig enthemmt entarten“, rief er aus. Nur Walter Ulbricht hatte Einwände: „Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja?, sollte man doch Schluss machen Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen? Singt gefälligst deutsch!“ Die Sachsen „Maschine“ und „Quaster“ sahen sich an und wussten: Sie und Deutsch singen? Das wird schwer!
Türen öffnen sich zum Klo hieß die erste Single, die ihren psychedelischen Klang einer Sonderration von einheimischen Asthmatee verdankt, den die Band während der Schtudiozeschen rauchte. Das Lied problematisierte eindringlich die schlimmste Folge solchen Drogenmissbrauchs, den Durchfall. Es folgten Lieder voller praktischer Lebenshilfe. Für Steige nicht auf einen Baum, wenn du Fische suhuchst erhielten die „Ruhdys“ 1972 den „Nationalen Staatspreis für Philosophie“. Nur mit dem Titel Geh zu ihr und lass deinen Drachen stei-hei-gen stießen sie bei ihren männlichen Fans auf Unverständnis. Die nannten das Ding in ihrer Hose anders.
Rückschläge
Der mangelnde Erfolg von Geh zu ihr machte die Funktionäre nachdenklich. Die „Ruhdys“ hatten anscheinend den Kontakt zur proletarischen Jugend verloren. Die nächste Single Das geht los, geht nach hinten los wurde prompt von offizieller Seite wegen „negativer Einstellung zum sozialistischen Losgehen“ eingestampft. Erst eine Coverversion der russischen Armeecombo „Oktoberclub feat. Die Ruhdys“ machte das Stück 1977 unter dem neuen Titel Das geht los, geht nach vorne los zum Hit in allen fortschrittlichen Drittweltländern.
Ihr Publikum im eigenen Land zu finden, wurde für die „Ruhdys“ aber immer schwieriger. Zu den „Jugendweltfestspielen“ 1973 wurden hunderte von Betriebskampfgruppen aus der ganzen Republik zwangsweise zum Konzert in den „Palast der Republik“ gekarrt. Aber noch vor Auftrittsbeginn entkamen die meisten Zuschauer durch die Notausgänge. In ihrer Not griffen die zuständigen Funktionäre des „Komitees für Unterhaltungskunst“ zum letzten Strohhalm: Die „Ruhdys“ wurden auf Westtournee geschickt und tingelten dort von DKP-Stadtteilfest zu DKP-Stadtteilfest. Nach Beschwerden über den daraufhin radikalen Mitgliederschwund der Westkommunisten folgte eine Tour durch die Innere und Äußere Mongolei, von der die Gruppe entgegen allen Erwartungen nach knapp zwei Jahren deutlich gealtert in die DDR zurückkehrte.
Ihr Kommbäck-Versuch mit dem Lied Du bringst uns Licht, ein Song über den Erfinder der Glühbirne, scheiterte, bei ihrem Konzert vor der Belegschaft des Kombinats „Plaste und Elaste“ in Schkopau wurden sie erbarmungslos ausgebuht. Und ihren volkstümlichen Wurst-Schunkelsong wollte in den Wendemonaten 1989 kein Zonie mehr kaufen, trotz seines durchaus originellen Refrains:
- „Der Mais, der Mais, wie jeder weiß,
- das ist die Wurst am Stängel.
- Der Mais, der Mais, wie jeder weiß,
- das ist ein flotter Bengel.“
Nach der Zwangsvereinigung
Die Zeit verschwurbelter Texte und Endlos-Soli war vorbei. Die „Ruhdys“ lösten sich auf. „Immer saufen, immer Weiber“, stöhnte Sänger „Maschine“, „das hätt ich auch nicht länger durchgehalten“. Er und „Quaster“ Hirnkrampf wurden dann doch lieber Hartz IV, Drummer Rudi ging zurück ans Band im Hammerwerk, Bassist „Wuschel“ wurde Nuttenpreller in Thailand und Keyborder Meyer lebte mehr recht als schlecht von seiner Stasipension.
Doch wie alle Untoten kehrten die „Ruhdys“ zurück. Ihre Alterskarriere verdankten sie einem einzelnen Fan aus der Programmdirektion des ostdeutschen MDR, wie sich das MfS seit der Wiedervereinigung nennt. Er stellte den Kontakt her zur sächsischen Mundartkünstlerin Katharina Witt, mit der die „Ruhdys“ seitdem durch dunkeldeutsche Eissporthallen ziehen. Und eines ist sicher: Solange auch nur ein DDR-Rentner noch lebt, wird das so weiter gehen.
Hinweis: Nicht verwechseln darf man die „Ruhdys“ mit der westdeutschen Coverband Puhdys, die im Auftrag westlicher Monopolkapitalisten und revanchistischer Dunkelmänner jahrelang versuchten, die ostdeutsche Jugend durch überhöhte Dezibelzahlen vom Weg des Sozialismus abzuhalten. Pfui!
überflüssige Bemerkungen
- Das Zitat des Augenzeugen stammt aus dem „Ruhdys“-Artikel: Tutti Frutti oder Die Reise zum Mittelpunkt der Leere, in: Richard Kähler / Hans W. Saalfeld: Zart ist der Schwanz der Bisamratte. Frankfurt/M. 1980, S. 156ff.
- Für Mielke-Fans: Den „Entarten“-Satz hat er tatsächlich gesagt (am 20. Januar 1966)