Kamelobooks:Hans im Glück: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Februar 2010, 19:37 Uhr
Es war einmal, vor langer, langer Zeit...
Also wirklich vor langer, langer Zeit. Nicht einfach nur letzte Woche oder gerade eben. Nein. Vor langer, langer Zeit. Was? Wann, denn sonst? Weiß ich doch nicht. Hauptsache es ist lange, lange her. So und nun, Klappe halten und zuhören (bzw. weiterlesen). [Anmerkung des Erzählers]
Hans wohnte während der Wende in Brandenburg. Die Arbeitslosigkeit trieb ihn nach Bayern, wo er bei Siemens in München malochte und jeden Pfennig sparte. Nach sieben Jahren hatte er über 30.000 Mark auf dem Konto. Da kündigte er sein möbliertes Zimmer, hob bei der Hypo Vereinsbank sein ganzes Erspartes ab und machte sich auf den Weg nach Hause zu seiner Mutter, die immer noch in dem kleinen Dorf Lübben wohnte.
Der sparsame Hans stellte sich beim Frankfurter Ring an die Auffahrt zur A9 und winkte mit dem Daumen Richtung Berlin. Schon bald hielt ein knallroter 3-er BMW und nahm Hans mit. Das Auto gefiel dem Hans und der Besitzer, dem Dialekt nach ein Tiroler, schwärmte auch noch in den höchsten Tönen über die PS-Zahl, die Beschleunigung und die geile Stereoanlage. Bei der Raststätte „Köschinger Forst“ waren sich die beiden einig. Hans gab dem Fahrer für den BMW seine 30.000 Mark und tankte voll. Dann kaufte er sich von seinem letzten Geld noch eine Wurstsemmel und eine Cola mit Fanta-Geschmack.
Fröhlich bretterte Hans mit seinem Auto weiter auf der A9 mit 333 Sachen der Heimat entgegen. Zwar bemerkte er, dass die Nadel der Tankanzeige flott Richtung Nullpunkt strebte, aber das bekümmerte ihn nicht weiter. Kurz hinter dem Dreieck Vogtland stotterte der Motor ein paar Mal und starb dann ab. Jetzt stand Hans auf dem Standstreifen und wusste nicht weiter. Es dauerte eine gute Stunde, da hielt ein senfgelber Trabbi hinter ihm. „Nuu,“ sächselte der Trabbipilot, „haste een Pröbläm?“ Hans klagte ihm sein Leid. Der Sachse meinte: „Das kriegen wir schon hin. Du gibst mir den BMW mit leerem Tank und ich geb dir meinen Trabbi und noch 20 Mark obendruff. Der Tank ist noch fast voll und außerdem braucht der nur vier Liter.“ ... und ergänzte in Gedanken: auf 50 Kilometer. Hans schlug ein. Wieder auf der A9 Richtung Norden dachte Hans: Was bin ich doch für ein Glückspilz. Jetzt habe ich für den Spritfresser ein schickes, sparsames Autolein bekommen.
So fuhr Hans glücklich und zufrieden dahin, bis er hungrig und durstig wurde. Bei Triptis fuhr er ab (er hatte ja noch die 20 Mark), ging in einen Gasthof, setzte sich zu einem dicken Thüringer an den Tisch, bestellte eine Bratwurst und, weil ihn das Leben freute, für sich und seinen Tischnachbarn ein Bier. Bald waren sie im Gespräch und Hans berichtete ihm von seinen vorteilhaften Tauschgeschäften. „Hat dir denn der Sachse auch die Fahrzeugpapiere gegeben für den Trabbi?“ fragte der dicke Thüringer. „Nein,“ meinte Hans. „Braucht man denn sowas?“ Sein neuer Freund machte ein besorgtes Gesicht. „Wenn dich die Polizei erwischt, na dann Mahlzeit. Wenn es dumm läuft, dann kommst du in den Knast.“ Jetzt war Hans doch ein wenig beunruhigt und bestellte noch eine Runde Bier. „Ich habs,“ sagte der Thüringer und nahm einen ordentlichen Schluck Freibier. „Hans, du kriegst von mir mein Moped, da braucht man keine Papiere und ich nehme deinen Trabbi und das Risiko auf mich.“
Gesagt, getan. Hans schwang sich auf auf die 50 ccm-Kreidler und strebte über Land- und Kreistraßen der Heimat zu. Schon wieder verdammtes Glück gehabt, dachte er und machte ein zufriedenes Gesicht. Es war später Nachmittag, Hans fuhr gerade durch den Ort Sonnewalde, da gab es einen fürchterlichen Knall und der Auspuff lag in Trümmern auf der Strasse. Doch Hans hatte wieder Glück. In einer alten LPG-Werkstatt konnte er das Moped gegen ein Fahrrad eintauschen, mit dem er sich auf die letzten 30 Kilometer bis Lübben machte.
Was ist denn jetzt schon wieder? Wo liegt das Problem? Ach was, 30 Kilometer sind doch eine Kleinigkeit. [Anmerkung des Erzählers]
Der Kirchturm seines Heimatdorfs war schon in Sicht, als Hans ein ordentliches Schlagloch übersah. Er machte einen eleganten Salto über den Lenker und landete hart auf dem Schotter. Und wieder hatte Hans sein sprichwörtliches Glück. Außer einem verstauchten Knöchel und kleineren Abschürfungen an der linken Hand war er unversehrt. Nur das Vorderrad hatte einen ordentlichen Achter und so landete das Fahrrad schwungvoll im Graben.
Es dämmerte als Hans vor dem windschiefen Haus seiner Jugend stand, energisch anklopfte und dann überschwänglich seine Mutter umarmte. „So glücklich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“
Mutter und Sohn freuten sich über ihr Wiedersehen. Und nachdem die erste Euphorie verflogen war, fragte Hänschens Mutter: „Und Bub, was hast du denn verdient und gespart in den sieben Jahren bei den Bayern.“ Da erzählte Hans die ganze Geschichte seiner Heimreise. Und je mehr Hans erzählte, umso einsilbiger wurde seine Mama, die, als Hans endete, dachte:
„Oh Gott, mein Hans ist und bleibt ein rechter Depp.“
Dieser Artikel stammt direkt aus der Artikelschmiede.