Der Werwolf (Christian Morgenstern)

aus Kamelopedia, der wüsten Enzyklopädie
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Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: «Bitte, beuge mich!«

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

«Der Werwolf«, sprach der gute Mann,
«des Weswolf, Genitiv sodann«,
«dem Wemwolf, Dativ, wie mans nennt«,
«den Wenwolf, - damit hats ein End.«

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
«Indessen«, bat er, «füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!«

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, das er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbs in großer Schar
doch 'wer' gäbs nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.


Christian Morgenstern: Der Werwolf, 1907/1908

Werweswenwolf.png
     

Niemand will den Morgensterne
Gar zu gerne
Verlieren aus des Auges Rund.

Aus wahrlich wichtgem Grund
Hat die Stimme des Gewissens mit entschieden
Und manchein Kamel es nicht vermieden,
Den Werwolfe in der wüsten Wüste Weiten
Weiterzugeleiten.

Mithin aus dem Grunde, dem letzten,
Dass Wehrkamele die Zähne nicht wetzten,
Des grotesken Kamelodesken
Sprachlich Rüstzeug des Nächten zu zersetzen,
Was wir verfechten zu ächten.

„Wer wem wes wen” ist, des
Soll nicht geklärt wer'n, es
Sei der Anderen Subjektes,
Sich ganz im Geheimen
Was darauf zu reimen.

Siehe auch.png Siehe auch:  Dem Dativkamel gewidmeter Artikel


Hinweis: Die gesetzliche Schutzfrist für ein Werk läuft 30 50 70 (95?) Jahre nach dem Tod des Urhebers ab - Morgenstern darf daher hier und dort zitiert werden.

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