Kamelobooks:Ölkrise/00001011

aus Kamelobooks, der wüsten Bibliothek
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Der Kamelopedia-Roman!!! Das literarische Projekt 2006. Das hier ist erst der Anfang, der Titel gibt schonmal ein wenig das Thema vor. Es geht um Ihn, und um die Ölkrise. Er lebt irgendwo bei Kairo und arbeitet in der Innenstadt in der Zentralpyramide. Was er dort tut, und wie und was noch passieren wird, keiner weiss es bisher. Liebe, Intrigen, Krisen, Kriege, Rock'n'Roll, Drugs, Sex, raffinierte Technik, Lug, Trug und Betrug, Spionage und Camouflage, Sklaverei, Freiheit, Glück und Naturkatastrophen, alles ist möglich. Lies den Anfang, und setze die Geschichte zusammen mit anderen Kamelen fort.

Hier entsteht Weltliteratur!

Kapitel 00001

Er war gerade wieder tanken. Der ganze Monatslohn ist dabei drauf gegangen. Er muss sich irgendwas einfallen lassen. So konnte es einfach nicht mehr weitergehen. Er kam schon letztes Jahr kaum über die Runden. Aber die letzte Preiserhöhung, das war zu viel. Warum hat er sich diesen Hubraum-starken Benzinschlucker gekauft? Er weiss es nicht mehr. Doch, er weiss es noch. Der Benzinschlucker grunzte so sympatisch und der Dattelmelker durfte ihn nicht mehr fahren, da er mit seinen 235 Jahren doch schon einen Tick zu alt für dieses Geschoß war, trotz Frischzellenkur und Rückgratimplantat. Und er hatte Mitleid mit dem Alten, und einen nagelneuen Sattel besaß er auch. Ein Sattel ohne Benzin-schluckendes Kamel, welch eine Schande. Und was für ein Sattel, mit allen Gimmicks, die man sich vorstellen konnte: Nasenhaarentferner, Ölablassschraube, Navigationssystem, Sellerie-Anzeige, Nachtischsuchgerät, usw. Wie sah das aus, er, der jeden Morgen pünktlich zur Arbeit sein musste, verlässt seine Pyramide, schwingt sich auf seinen edlen Sattel, aber kein Kamel drunter. Lächerlich, wie er so zur Arbeit hoppelte, und er wollte endlich auch mal tanken. Das war sein Traum, schon seit seiner Kindheit. Er bezahlte den Alten mit 17 Packungen Mullbinden, damit er seinen Mumienverband erneuern konnte. Einen Sarkophag wollte der Alte eigentlich, aber Verhandlungsgeschick, das ist alles! Und da stand das Kamel nun an der Zapfsäule und schluckte genüßlich 175 Liter Benzin in seine Höcker rein. Drahtlos wurde jeder Liter sofort von seinem Konto abgebucht, die Luft brannte wegen der hohen Beträge. Gleich darf er wieder Gas geben, er wird in den Sattel gepreßt, und er kann es genießen, solange, bis der Sprit wieder alle ist. Das wird etwa an der dritten Ampel sein. Versoffenes Kamel, irgendwo muß es undicht sein, ob er ihm mal den Hintern zunähen soll? Nein, das wäre ein unautorisierter Eingriff in die Darmflora seines Fortbewegungsmittels, das war verboten, streng verboten. Aber vielleicht hilft auch ein Ausflug in die Wüste. Dort litern Kamele bekanntlich wesentlich weniger. Schon wollte er einen Antrag auf Verwüstung seines Arbeitsweges in der Zentralpyramide stellen, aber es war einfach zu riskant. Man hätte ihn aus seiner Pyramide geschmissen, hochkant. Obdachlos würde er seinen Job verlieren. Und ohne Moos nix los, dann könnte er sein geliebtes Kamel, welches gerade vollgefüllt bis zum letzten Hohlaraum zufrieden rülpste, nicht mehr tanken. Nein. Brav weiter machen, so wie es von einem erwartet wird. Die Höcker waren nun prall gefüllt, sein Sattel trohnte oben drauf, und glänzte wie ein Goldschatz im Sonnenlicht. Ein prachtvoller Anblick! Besser geht es eigentlich nicht, stolz registrierte er die neidischen Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer. Nur der Benzingeruch, wenn es rülpste, das war etwas unangenehm, aber was solls.

Für die nächste Füllung muss er seine Chefin ampumpen, Kamelopatra, oh schönste aller schönen Cheffinnen. Ein charmantes vielsagendes Lächeln wird es ermöglichen, da war er sich ganz sicher. Aber wenn es doch versagt, sie war hübsch, sehr hübsch, und genauso launig, vor allem wenn sie mal wieder mit dem linken Fuß aufgestanden war, was dann? Kamel gegen eins tauschen, was Diesel bevorzugte, oder gar eins was dieses aus Norddeutschland importierte Rapsöl schlürfte? Wäre etwas billiger, aber der Stress, und er würde das sympatische Gegrunze vermissen. Die anderen klackerten immer nur so, besonders, wenn sie noch kalt sind. Aber manche von denen sollen im Trab ganz nette Lieder singen können. Vielleicht sollte er nochmal drüber nachdenken.

Jetzt aber musste er auf die Tube drücken, in 23 Minuten wird er an seinem Schreibtisch in der Zentralpyramide von Kairo sitzen müssen. Also hurtig, er schwang sich auf seinen geliebten Benzinfresser, stolz wie ein Beduine, den Hotdog in der einen, die Lenkleine zwischen den Zähnen, drückte er aus der Senftube den Geschmacksveränderer in das Brötchen, er hatte noch nicht gefrühstückt... Sein Kamel wusste den Weg, darum brauchte er sich nicht mehr zu kümmern, der Elektroschock und die mit Stacheln besetzte Drahtseilpeitsche hatten ihren Dienst vorzüglich geleistet, den Weg würde es nicht mehr vergessen. Wer braucht schon Satelliten-Navi. Richtig, nur Weicheier. Und die geklauten Mercedes-Sterne vor den Augen nahm es jedes Hindernis mit. Das benzinschluckende Kamel hatte darin Übung, im Tiefflug rast es unter seinem Besitzer durch die engen Gassen Kairos, quer über den Wochenmarkt, blitzartig schleicht es am Hauptbahnhof vorbei, hinab durch die Unterführung und auf der anderen Seite wieder raus. Die dritte Ampel machte dem Unterfangen der Pünktlichkeit einen Strich durch die Rechnung. Nein, sie ist nicht rot, ja sie ist grün, aber wie vorhergesagt, die Höcker hängen ganz schlaff runter, der Sattel mit seinem stolzen Besitzer sind auf dem Weg bis hier her gut einen Meter tiefer gesunken, und Benno, so heisst das Kamel, stöhnt. Sprit alle! Noch 5 Minuten bis zum Anfang der Kernarbeitszeit, das ist wieder nicht zu schaffen, er wird heute Abend wieder länger machen müssen, um das auszugleichen. Wahrscheinlich wird SIE schon am Portal der Zentralpyramide stehen und die Peitsche vor Wut schwingen, so wie immer, und dann wehe dem Untertan, der in die Nähe kommt. Also tanken, hätte er doch beim Kauf des Kamels darauf geachtet, dass es länger als drei Ampeln hält.

Das Befüllen an der mobilen Tanke - die Mieten für stationäre Tankstellen waren in der Innenstadt von Kairo einfach zu hoch - dauerte ziemlich lange, aber was tat er nicht alles um seinen Benno glücklich zu machen. Das er mittlerweile wegen der Spritpreise einen Kredithai aufsuchen musste, was solls, da musste er durch. Was die Cheffin zur erneuten Verspätung zu sagen hatte, daran wollte er noch nicht denken. Zufrieden glucksend bog der treue Benzinschlucker in den Hauptweg des Zentralparks ein. Am anderen Ende war bereits die mittels Supraleiter einen Meter über dem Boden schwebende Erdbeben-geschütze Zentralpyramide zu sehen. Er parkte Benno in der Tiefgarage am Ende des Parks und schwang locker den einen Meter Höhenunterschied vom Parkboden zum Haupteingang der Prymide hinauf. 17 Minuten im Minus, zapperelot! Höchste Sicherheitsvorkerhungen nach dem letzten Anschlag auf eine Stufenpryramiden-Außenstelle in Sakkarah machten seit einiger Zeit komplizierte biometrische Kontrollen nötig. So stellte er sich vor die Sicherheitsbeamtin, die sich ihm zu Beginn der Kontrollen vor drei Wochen als Iris vorstellte, die dann auch gleich wieder wie jeden Morgen ihren berühmten Irisscan zelebrierte. "Wieder zu viel gesoffen, gestern Abend, oder wie" womit sie auf seine rot gereizten Augen anspielte. "Nein, der Sandsturm..." murmelte er vor sich hin. "Immer diese Ausreden. Wir müssen wohl mal die Reitlizenz überprüfen." Währenddessen hielt Iris seine Hand hoch, und verglich den Daumen mit einem Abdruck aus Lehm. "Und das nächste Mal deutlicher antworten, damit ich Ihre Stimme besser höre!" Mit diesen Worten schubste Iris ihn in die Drehtür.

Als er nach wenigen Sekunden wieder zum Bewusstsein kam hatte Iris die Drehtür auch schon entriegelt und er konnte sich fluchend zu seinem Arbeitsplatz durchkämpfen. Auf dem Weg dachte er sich vorsichtshalber schonmal eine Ausrede aus, doch hatte beim besten Willen keine Idee. Er war nicht sehr kreativ und wollte auch nichts zu hanebüchendes erdichten. Er reimte sich also nur irgendetwas zusammen über einen terroristischen Anschlag in der Nähe seines Hauses, bei dem vierzehn Anwohner (drei von ihnen Kinder, sieben Frauen und elf Männer) um ihr Leben gekommen waren. Mit einem alten verbrannten Zahnstocher kritzelte er im Gehen eine Fälschung der 46 Seiten dicken Zeitung des Tages, die seine Geschichte untermalen sollte und bastelte aus den Sandalen eines Obdachlosen, den er auf dem Weg zur Arbeit beraubt hatte, eine M16. Seine Version hatte zwar nur 3/4. der Durchschlagskraft eines echten Sturmgewehres, er hoffte aber, das würde nicht sonderlich auffallen. Auch betrug die Farbabweichung an der Unterseite des Schafts gute 0,23%. Wenigstens war die Zeitung perfekt geworden - schliesslich hatte er die rechte Hand zum Fälschen der Zeichnen und die linke zum Basteln der Waffe gebraucht. Wundersamer Weise glaubte ihm Kamelopatra jedes Wort und blätterte die Zeitung nicht einmal zur Hälfte durch. Auf der Seite auf der sie innehielt befanden sich die Todesanzeigen - eine von ihnen behandelte den Tod ihres Ehemannes. Da sie glaubte, single zu sein, bat sie ihn, von seinem Frauenwahlrecht Gebrauch zu machen und so kam es, dass er wenige Tage später zu einem der reichsten Männer Kairos emporstieg. Das hatte auch damit zu tun, dass die meisten anderen Männer (alle bis auf ihn und den ausgeraubten Obdachlosen) in der Stadt sich wegen der anhaltenden Ölkrise umgebracht hatten. Doch von diesem Massensuizid bemerkte er nichts, er und Kamelopatra hatten sich seit Tagen in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer eingeschlossen und liebten sich innig. Mal streichelten sie sich sanft, während er sie verwöhnte, mal wurde das wiederholte, schnelle und heftige Stossen so gewaltig, dass sich sogar der Autor Gedanken machte, wie viele Minderjährige sie durch die Fenster ihres Raumes beobachteten. Von seiner Position konnte er durch das Fernglas nur drei ausfindig machen. Aber er sah auch nur eines der vielen Fenster.

Als er aus seinen Träumen aufwachte, stand er immer noch an der Drehtür, aber er war drin, wenigstens hatte das geklappt, die Zeitung hatte er unterm Arm, in der anderen die verranzte Sandale. Was sollte er damit? Vor ihm lag der lange, mit feinstem Elfenbein ausgekleidete Gang zu den Büros. Zur Ertüchtigung der Mitarbeiter war in den Gang ein Förderband eingebaut, welches sich entgegen der Hauptverkehrsströme bewegte. Über dem Gang hing ein Schild "Streng dich an!". Er schluckte, denn das Band bewegte sich heute besonders schnell.

Sein Büro befand sich zum Glück im Erdgeschoss, aber wollte jetzt sofort zu Kamelopatra und eilte deshalb zum Fahrstuhl. Sie, die bezaubernde Chefin, würde vom 27. Stock in die Sonne blicken und etwas Ruhe haben bis der erste zu ihr durchkam. Er drückte die Taste 27 und der Fahrstuhl bewegte sich nach unten. Eigentlich spielte es keine Rolle welche Taste man drückte, man fuhr immer ins dritten Untergeschoss wo der einzige Zugang zum Treppenhaus war. Er hatte einmal aus Neugier den Knopf zum vierten Untergeschoss probiert und festgestellt dass es tatsächlich ein solches gab. Es enthielt keine Büros, nur ein Seil das von der Decke herabhing um wieder hochzuklettern. Typisch.

Dreissig Treppen später irrte er schwer atmend durch die Chefetage. Büro 261, Büro 262, Büro 190 - er hielt kurz inne und fragte sich ob er richtig war. Kamelopatra war in Büro 146, gleich neben 418. Zwei aufeinanderfolgende Nummern war hier so umwahrscheinlich wie im Lotto zu gewinnen. Ein böser Scherz, jemand muss die Schilder vertauscht haben, und jetzt wusste er nicht mehr wo er stand. Mentales Fitnessprogramm, davon sprach sie doch letzte Woche. Er atmete durch und suchte in seiner Tasche nach dem Kompass. Ausrüstung ist alles. Kamelopatra hatte ihr Fenster gegen Süden. Jedenfalls letzte Woche. Wie die Zimmernummern war hier nämlich alles in ständiger Bewegung, denn die Angestellten der Zentralpyramide hatten nicht übermäßig viel zu tun seit er die Abacusse, mit denen sie ihre statistischen Berechnungen über die Zuwachsraten der Kamele durchführten, mit Seilen miteinander vernetzt hatte, und so verbrachten Sie viel Zeit damit, sich und ihre Büros umzuziehen.


  • Fortsetzung folgt *