Hause
„Och menno, es is' ja schon düster, ich muss nach Hause...“, dieser quengelig hervorgebrachte Satz ist jedem aus unbeschwerten Kindertagen unlöschbar ins Gedächtnis eingebrannt. Nur: Wo war denn dieses „Hause“ eigentlich genau? Generell unterliegen ja Erinnerungen an die Kindheit ganz speziellen Verdrängungsmustern, aber dieses ominöse Ge-Hause muß ein sehr widersprüchlicher Ort der Regeneration und des Geborgenseins, aber auch der Pflichterfüllung gewesen sein.
Genaueres ist leider nur sehr schwer in Erfahrung zu bringen. Eine Möglichkeit, dem „Hause“ auf die Spur zu kommen, ist das Erleben psychischer Extremsituationen, z.B. der Bereich eines Blutalkoholspiegels jenseits von ca. 2,5‰. Mit einer gewissen Verläßlichkeit stößt der Zecher irgendwann lallend, aber mit Nachdruck aus: „...will na 'ause!...“! Da ist es wieder! Offenbar kann das adulte Gehirn durch Bewußtseinsverengung im Alkoholrausch die kindliche Erlebniswelt teilweise wiederherstellen, und damit kehrt auch die kindliche Sehnsucht zu jenem geheimnisvollen Refugium zurück. Allerdings wird die genauere Eingrenzung jenes fast schon mystisch zu nennenden Ortes durch die meist stark eingeschränkte Orientierung der Versuchsperson eingeschränkt. Befragt nach einer objektivierbaren Verortung von „Hause“, äußern die Froscher auf dem Weg nach Hause meistens nur: „...kannofaahn!...“, um dann nach vorne aufs Gesicht und in eine tiefe Bewußtlosigkeit zu fallen; vermutlich eine Schutzreaktion im Zusammenhang mit der starken emotionalen Erschütterung beim Gedanken an Hause. Bisher ist es noch nicht gelungen, auf dem Wege des Experiments über diesen Punkt der Suche nach Hause hinweg zu kommen.
Ein weiterer Schlüssel zum Verständnis dieses geheimnisvollen Ortes könnte in dem Satz „E.T. muß nach Hause telefonieren“ liegen. Man beachte die tief emotionalisierende Wirkung, die dieser Satz, mit erhobenem Zeigefinger vorgebracht, auf die meisten Erwachsenen ausübt. Erfahrungsgemäß liegen solch rational nicht eben leicht erklärbaren Phänomene oft in einem frühkindlichen Trauma begründet. Das wirft eine interessante Frage auf: Empfindet sich das kindliche „Ich“ als E.T., als extra-terrestrisch? und will deshalb nach Hause telefonieren? Wobei natürlich die symbolische Übertragung des Geburtserlebnisses auf die entwurzelte Existenz eines Aliens auf der Hand liegt.
Diesen Fragen sollte sich die zeitgenössische Parapsychologie mit Hochdruck widmen. Für uns alle ist der Weg nach Hause von entscheidender Bedeutung. Danke für Ihre Aufmerksamkeit, aber ich muß jetzt nach Hause.
Siehe auch: andere Himmelsrichtungen | Elternhaus | Hausordnung
Siehe vielleicht: Eltern | Haus | Siegmund Freud
Lies mal: Sigrun Freud | Pfandhaus