Kalmud
Der Kalmud ist Gedöns von alten Kamelen. Diese gingen zu lange durch die Wüstensonne, hörten fremde Stimmen und sind jetzt tot. Das Gedöns lebt noch. Darin geht es darum, das Kamele an Oasen nicht in's Wasser pinkeln sollen und Augen mit Augen bezahlen müssen. Zähne gehen auch manchmal. Es geht auch um Opfer; durch die Rotation wurde daraus aber die Oper. Seitdem das Gedöns aufgeschrieben wird, fummelt auch jeder dran rum. Ganz laut sind dabei die Alten und die ganz Alten.
Gründung des Proselytismus
Nachdem der Kalmud von einem Religionsgründer in der Wüste gefunden wurde, machte er seinem Beruf alle Ehre und gründete eine neue Religion, in Anbetracht dessen, dass alte Religionen ihre Anhänger verlieren, da Kupplungen Made in Kina nur aus Alteisen hergestellt werden.
Der Prozess der Nomenklatur war extrem kurz; nach 0,5 sec hieß der neue Glaube Proselytismus, da Neulinge über die Vorteils-Schiene geködert werden.
Ein Zentrum des neuen Glaubens wurde in einer Schubkarre in einem Berliner Hinterhof eingerichtet; Schiebbares ist immer gut, Anhänger zum ziehen gehen auf Dauer verloren. Der überraschte Ruf der Hausmeisterfrau wirkte sich befruchtend aus, sie brüllte beim Einrichten der Zentrale aus dem Fenster: „WAT IS'N DET FOR’N JESCHIEBE, UN DET UFF SONNTAG VORMITTAACH – WENN NICH BALDE RUH’ IS, HOL’ ICK ’N SCHUTZMANN!!“ Ab sofort heißen alle bisher eingerichteten Kaderschmieden des Proselytismus „Jeschiebe“ (nicht zu verwechseln mit Jeschiwa).
Bedeutung des Kalmuds für den Proselytismus
Da fehlten aber noch viele Dinge, die Gläubige üblicherweise bei der Stange halten. Der erste Feiertag Chanuta [1] war ein Reinfall, da es nicht gelang, schöne, große Haselsträucher mit Waffeln zu behängen und die unreifen Nüsse in vollem Saft stehend nicht brennen wollten. Nächstes Jahr soll „Chanuta“ dann im Herbst gefeiert werden, zum Gedächtnis der Auffindung des Kalmuds.
Ein weiterer Feiertag des Proselytismus erinnert an das im Kalmud häufig erwähnte Opferlamm. Die einzig erlaubte bildliche Darstellung zeigt einen Rot gebundenen Kalmud mit sieben Siegeln, den man dem Opferlamm untergeschoben hat; einem Opferlamm kann man schließlich alles unterjubeln, denn es ist ja quasi nix anderes als ein junger Sündenbock. Das Fest ist nur ein halber Feiertag, deshalb Bes-Mettach [2] genannt, aber in sogenannten Jubeljahren wird auch nachmittags gefeiert. Auch sowas kann man mit Opferlämmern machen, gegen die Regeln einfach weiterfeiern... Ob ein Bildnis dieses heiligen Ereignisses den Nicht-Proselyten gezeigt werden darf, ist auf Grund der Neuartigkeit der Glaubensgemeinschaft noch nicht entschieden. Kamelopedia verzichtet solange darauf, bis grünes Licht aus der „Berlinerhinterhofschubkarren-Hauptjeschiebe“ gegeben wird. Hier leuchtet's jetzt GRÜN.
Das „Haublüttenfest“ [3] wird in jeder Jeschiebe unterschiedlich gefeiert, da es an die jeweilige Einweihung eben dieser erinnert. Die „Lütten“ (also die Kurzgewachsenen) einer Proselytengemeinde tragen zu diesem Anlass kunstvoll gewirkte Hauben, allerdings nur drei Jahre nach der rituellen Aufnahme eines Neugeborenen in die Gemeinschaft. Danach sind die Kleinen schon zum Kalmud-Studium verpflichtet und den Erwachsenen in Religionsdingen gleichgestellt.
Im Kalmud wird 2234mal das Wort Fasten genannt; damit ist es das häufigste Wort des Kalmuds und wird dort sogar noch öfters gebraucht als in der Luftfahrt („Please fasten your seat belts“). Der Proselytismus verlangt vor jedem Feiertag 1. Ordnung ein mehrtägiges Fasten, wobei der einzelne Proselyt selbst für eine angemessene Länge verantwortlich ist. Ein Kapitel lehrt über das Große Fasten vor dem Knochenfest [4], das je nach Mondkalender verschieden, zwischen Chanuta und Bes-Mettach begangen wird, also im Endeffekt ein Winterfasten ist. Es wird zu diesem Anlass, dem Knochenfest, auf Eishörnchen [5] (die auch Mittwinterhörner genannt werden und auf keinen Fall auftauen dürfen) eine eindringliche Melodie geblasen. Sobald die Melodie ertönt, erheben sich alle Anwesenden in der Jeschiebe und der Kalmud wird aus seinem Schrein geholt. Nach dem eher besinnlichen Gottesdienst ist für den Kalmud eine besondere Verehrung vorgesehen; er wird in feierlicher Prozession [6] viermal um die Jeschiebe getragen, während die Proselyten die eindringliche Melodie auf dem Eishörnchen weiter blasen. Um Verständnis für diesen eigentümlichen Brauch zu wecken, spricht man auch vom proselytischen Fronleichnamsfest. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Verwendung der Thailändischen Nationalhymne (siehe auch: Fronleichnam), allerdings mit dem proselytisch-kalmudischen Text des Quomas de Terrario:
- Diesen Kalmud sollt ihr ehren
- der den Glauben euch will lehren
- und die Gottesfurcht will vermehren
- wie einst auf der Wüstenreise
- soll der Kalmud einz’ge Speise
- und auch Lab eurer Seelen sein.
Nach dem Umgang wird der Kalmud jedoch, entgegen der vorletzten Zeile des Gedichtes, seit Aufgabe der Librophagie nicht aufgegessen, sondern stattdessen einfach wieder in seinen Schrein gelegt und dann erst an Bes-Mettach wieder zur Verehrung ausgesetzt.
Der Kalmud ist derart eng mit dem Proselytismus verbunden, dass eine Jeschiebe, die einen längeren Zeitraum ohne dieses Heiltum ist, abgerissen werden muss und im Umkreis von sieben Tagweiten keine neue errichtet werden darf.
Zur Zeit ist der Bau einer Druckerei geplant, um die zahlreich neu entstehenden Jeschieben mit Kalmuds zu versorgen.
Leben mit dem Kalmud
Der Proselytismus kennt keine Dreifaltigkeit wie das Kistentum. Der Kalmud beschreibt das Höchste Wesen als „einfältig und weise“ (also quasi wie Papier). Diese offene Diskrepanz ist für den Gläubigen ein Beweis seiner Allmacht.
Proselyt zu sein, heißt „Leben mit dem Kalmud“. So enthält er neben vielen Speisevorschriften auch einige Rezepte, die aber später hinzugefügt wurden. Gemäß dem Wort „Alles, was Federn hat, lobet den Herrn“ lehnen die Proselyten den Genuss von Geflügel ab. Auch essen sie keine Eier; nicht einmal Federbetten sind erlaubt. Dies ist ein ewiger Dank für das „Schnepfenwunder in der Wüste Gabi“: Nur als sich die Schnepfen freiwillig braten ließen, durften sie verzehrt werden.
Nicht zu verwechseln mit Calmund; das ist nur ein fettes Kamel aus dem mittleren Westen.