Tratsch

aus Kamelopedia, der wüsten Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Tratsch ist ein Kontaktsport über mehrere Runden, der meist blutig endet. Die Kultur des Tratsches ist uralt und wird immer von Mutter zu Tochter weitervererbt. Tratsch ist beileibe keine spontante Entladung, es bedarf der gründlichen Planung. Zur Vorbereitung des Tratsches hilft es enorm, wenn man schon während der Woche mit einem Kissen unter den Ellbogen, aus dem Küchenfenster gelehnt, die Mitbewohner der Gemeinde aufmerksam beobachtet und sich alles genauestens einprägt: "WER mit WEM!", "WER mit WEM NICHT!", "WER, den man schon immer in Verdachte hatte, mit WEM den man gar nie nicht erwartet hätte!" und auch Fremde zurechtweist, welche nur nach dem Weg zu Familie-XYZ fragen, mit den Worten: "Wer sind denn sie?", "...und woher kommen sie genau?" und "Wieso wollen sie zu diesen Leuten überhaupt?" Man merkt schnell: zum Tratsch reicht nicht nur Übung, es braucht Begabung!

Wie jeden Samstag kurz nach 10 Uhr treffen sich Frau X. und Frau Y. vor dem Kramerladen. Wie immer zufällig. Der Tratsch beginnt mit Begrüßung, verschränkung der Arme über dem üppigen eigenen Busen und enges zusammenrücken des eigenen mit dem der Tratschpartnerin und Résumués der Vorwoche, wie z.B.:


  • X an Y: Jetzt hat ja der Bauer H. seinen Zweitältesten endlich ausgezahlt!
  • Y an X: Ah, bei dem Bauern H. bei dem leztes Jahr der Blitz in den Stall eing'schlagen hat und der dann Geld von der Versicherung bekommen sollt'?
  • X an Y: Ja genau. Dem haben sie auch gar nichts nachweisen können, es hat ja an dem Tag wirklich geblitzt über'm Dorf, sagt man.
  • Y an X: Na dann wollten wir hoffen, dass es bald wieder blitzt, dann kann er den Jüngsten auch auszahlen, der Grosse soll ja mal den Hof übernehmen.
  • Y an X: Den Zweitältesten vom Bauern H., den jungen T. hab ich mit dem Fräulein R. an der Bushaltestelle gesehen. Die haben zusammen auf den Bus in die Stadt gewartet.
  • X an Y: Zusammen? Geeehh? Aber der T. ist doch mit der dürren K. aus V-hausen beieinander? Sind die wieder auseinander? Na sowas!
  • Y an X: Des würd' mich schon auch wundern, denn man sagt die Familie der R. hat ja nix, die sind ja Zuzog'ne. Aber wer glaubt schon an Zufall?
  • X an Y: Na dann wird er schon seinen Führerschein verloren haben, der junge T. wenn er mit dem Bus in die Stadt fährt!
  • Y an X: Also mir hat er an der Haltestelle gesagt sein Auto ist in der Werkstatt, aber nach dem Schützenfest hat er ja die Strasse mit seinem Traktor nach Hause gepflügt. Kann's schon sein, dass er zur Zeit zu Fuß gehen muss!
  • X an Y: Ja, das hat schöne Funken geschlagen, mir haben sie's auch erzählt. Mit runtergelassnem Pflug ist er die ganze Strasse runter und die Funken sind geflogen, das hat ganz schön gekracht. Recht betrunken hat er noch gegröllt: Resi i hol di mit meim Traktor ab!


Wichtig ist hier bei dem allwöchentlichen Résumué vor allem der Eindruck der Gesprächpartnerin untereinander. Ist diese bereit selbst Neuigkeiten der letzen Woche zu teilen oder wird man nur ausgehorcht und steht die eigene Reputation auf dem Spiel. Hintergründig erfährt man mehr über den Menschen mit dem man über Andere spricht, wenn die Anderen nicht anwesend sind! "Man red' ja nur, man sagt ja nichts!" Wenn das Gespräch ausgleichend verläuft und beide Tratschtanten Wissen preisgeben, dann entwickelt sich der Tratsch im oktavenübergreifenden Durklang zum Schlussakt weiter.

Das Hotel Stechginster gibt es im kleinsten Dorf

Was beide Tratschkatl zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Herr M. (wird unten erwähnt) ist nach dem Schützenfest, betrunken wie er war, auf dem Nachhauseweg in einen Ginsterbusch am Strassenabhang gefallen und war sich seines Körpers nicht mehr mächtig um sich im Vollrausch daraus zu befreien. So ist er darniedergelegen und hat sich bis zum Morgengrauen darin im Schlafe gewälzt und sich gehörige Schürf- und Kratzwunden und wegen der Allergene recht zugeschwollene Augen zugezogen. Nach dem aufwachen mit dickem Schädel, so pflichtbewußt ist er schon immer gewesen, machte er sich morgens auf dem Weg zum Treffpunkt, um nach dem Schützenfest bei den Aufräumarbeiten mitzuhelfen.


  • Y an X: Apropos schlagen, krachen und Funken, mir haben sie erzählt dass der M., der derzeitige Freund von Fräulein R. derartig zerkrazt und zerschunden beim Wirt aufgetaucht ist, frühmorgens am Tag nach dem Schützenfest. Auf dem Fest war er ja auch mit der R. und der junge T. war ja auch dort, vor seiner Plugfahrt!
  • X an Y: Ja gell, so eifersüchtig wie der ist, der M. Dann sind die beiden wohl schon auf dem Fest aneinander geraten, der T. und der M., wegen der R.?
  • Y an X: Die werden doch nicht in die Stadt zum Anwalt sein, die R. und der T.? Die sind doch gar nicht verheiratet der M. und die R.? Aber da muss schon mehr dahinter sein.
  • X an Y: Na jetzt wird vieles klar. Sowas kann man ja nicht verheimlichen auf einem Dorf wie dem unserem. Wo jeder jeden kennt. Des geht doch nie gut, sowas!
  • X und Y im Chor: Die R. und der T. haben was miteinander und der M. weiss davon!


Das nun war der Tratschhöhepunkt, ein Climax des Tratschdaseins! Die Dinge nehmen ihren Lauf und nächste Woche treffen sie sich wieder am Samstag um 10 Uhr vor dem Kramerladen. Zufällig. Frau X. und Frau Y. Busen an Busen und tratschen von letzter Woche als ein Herr M., so eifersüchtig wie er nun mal ist, beim Frühschoppen einen Herrn T. bezichtigte mit seiner Freundin R. zu turteln (Herr T. war damals nur unschuldigerweise mit dem Bus in die Stadt gefahren um sein Auto aus der Wekstatt zu holen!) und ihn aus seinen Schuhen hob und die blutige Tracht Prügel die sich beide im Wirtshaus angediehen, gehen in die Annalen des Dorfes ein. Wie allerdings die Informationen aus dem Tratschgespräch den Stammtisch erreichten, das bleibt ein Geheimnis dass nur von Mutter zu Tochter weitergegeben wird.

Siehe auch.png Siehe vielleicht:  Klatschpresse