Jazz
Jazz ist eine Erfindung der Menschen, um wenigstens auf ihren Musikinstrumenten so lebhaft und kommunikativ miteinander möhen und mööeppen zu können wie die Kamele. Es begann nach dem Ende der Sklaverei in den USA, als der Baumwollanbau der Südstaaten durch Einsatz von Kamelen rationalisiert werden sollte. Doch das Experiment kam zu spät, denn längst hatte die Eisenbahn genug Transportkapazität. Zurück blieben am Rande der Baumwollfelder desillusionierte Migrantenkamele ohne Job. Sie magerten ab bis zum Eintritt des Knickhöckersyndromes. Ein Trampeltier namens Sidney Louis Nicholas "Jelly Hump" Dodds-Beiderbecke, das trotz Abmagerungskur noch von ansehnlichem Felle und Figur war, dessen Höcker aber auch schon im rechten Winkel seitlich herab hingen, folgte dem Ruf der Großstadt, denn der klang ihm sonderbar vertraut. Ja, über den riesigen Lake Ponchartrain hinweg war noch laut und deutlich ein langes lautes an- und abschwellendes "Möh" aus New Orleans zu hören. Es war die Geburtsstunde des Jazz. Buddy Bolden hatte es auf seiner Trompete geschafft, was selbst Elefanten mit ihrer hohen Intelligenz und ihrer Trompetennase nie hinkriegten: Ein lupenrein natürlich klingendes Tönen wie ein echtes Kamel.
Sidney Louis Nicholas "Jelly Hump" Dodds-Beiderbecke fuhr als blinder Passagier auf einem Raddampfer über den See in die große Stadt im Mississippidelta. Er fläzte sich mit seinen abgeknickten Höckern einfach in den Vergnügungssalon, als gehöre er als Sofa zur Einrichtung. Natürlich setzten sich auch Fahrgäste darauf. Deren Unterhaltung war stockend, weil sie alle unterschiedliche Sprachen sprachen: Die weiße Landbevölkerung sprach Cajun, die Kajütensprache der Krokodiljäger aus den Sümpfen. Die Neger, das war damals noch ihre politisch korrekte Bezeichnung, sprachen Slang, eine Schlangenprache aus dem afrikanischen Urwald mit gelegentlichen englischen Einsprengseln. Da waren die Kreolen, die waren die chefs de la cuisine und sprachen folglich ein französisiertes Küchenenglisch. Da waren die irischen Einwanderer, die auf keltisch fluchten, weil es in New Orleans keine Kartoffeln gab - darunter waren auch ganz gemeine Druidenflüche, mit denen ein stolzes Trampeltier zum Dromedar reduziert werden konnte durch Einwirkung eines irischen Wolfshundes. Da waren auch Seeleute aus aller Welt. Immer wenn es Verständigungsschwierigkeiten gab, soufflierte "Jelly Bump" Dodds-Beiderbecke ein Möh oder ein Mööepp, was die nach Worten ringenden Passagiere gerne nachsprachen, um die Unterhaltung im Fluss zu halten. Das ging so gut, dass alle Fahrgäste, die das Trampeltier als Sofa benutzt hatten und in New Orleans an Land gingen, dort nichts wichtigeres mehr zu tun hatten, als sich umgehend ein Sofa zu kaufen.
Sidney Louis Nicholas "Jelly Hump" Dodds-Beiderbecke aber folgte zielstrebig dem Möhen aus einem Etablissement an der Basin Street. Drinnen war gerade ein Donnerwetter im Gange, denn Buddy Bolden bekam wieder eine Standpauke der Hausherrin, weil ihre Damen und die der Nachbar-Bordelle klagten, ihre Kundschaft litte unter coitus interruptus durch Lärmbelästigung mit neuartigen Trompetentönen. "Jelly Hump" wollte sich hineindrängeln, weil er ja glaubte, es handele sich um einen Kamelstall. Doch der bullige italienische Türsteher schob das geschwächte Tier zurück. Da rief Buddy Bolden "Haaalt, lass ihn rein, auf den hab ich gewartet!" Er wies das verdutzte Trampeltier an, sich vor die Bühne zu stellen, setzte seine Trompete an, und trat soweit vor, dass einer der abgeknickten Höcker deutlich in den Schalltrichter des Instrumentes hinein ragte. Buddy stimmte Lil'Liza Jane, das Lieblingslied der Chefin an, und zwar so laut er konnte, doch der Knickhöcker wirkte als Dämpfer. Sowohl die Lautstärke war nun zivil, als auch der Klang elegant statt rauh. Fortan diente Sidney Louis Nicholas "Jelly Hump" Dodds-Beiderbecke als erster leibhaftiger Dämpfer für Jazzblassinstrumente. Seine Kamelbeine fanden die Frauen so attraktiv, dass ihre Männer, Freier und Zuhälter von dem Knickhöckerkamel zu einer ausgeprägten Knickerbocker-Hosenmode inspiriert wurden. Nur Buddy Bolden musste nun immer hinter dem Kamel spielen und war vom Publikum nicht mehr zu sehen. Die Trinkgelder blieben aus, und seine unbefriedigte Geltungssucht hatte kein Ventil mehr, so dass er schließlich verrückt wurde. Doch seine Musik im Kamel-Sound ging gedämpft viel besser auch in die Ohren seiner Musikerkollegen hinein, so dass sie die Tradition des Jazz fortführen konnten. Wo das mit der Tradition aber zu bemüht statt nach klangvollem Möh klang, wurde es zu Dixieland. Der geniale Grenzfall zwischen Dixie und Jazz war Louis Armstrong. Auch er begann seine Karriere noch hinter dem Dämpferkamel spielend, bis seine Frau, als er zuhause übte, laut wie Buddy Bolden zu spielen, ihm den Pömpel an den Kopf warf. Den benutzte er fortan als Dämpfer. Die Kamele in New Orleans, die es lieben und schätzen gelernt hatten, Dämpfer zu sein, weil die Jazztrompeten wahre Höckervibratoren waren, wurden durch die Pömpel wieder arbeitslos und wurden bislang sträflich von der Jazzliteratur vernachlässigt. Nur Trampeltier Sidney Louis Nicholas "Jelly Hump" Dodds-Beiderbecke übernahm den ursprünglichen Brot-Job von Armstrong als Kohlenschlepper und war immer mächtig stolz darauf.